15.11.2006

JCC -5-

14. November
Nouri Bouzid ist wieder in Form. Das war wohl die zentrale Erkenntnis des gestrigen Tages nach der Premiere seines neuen Films Making Off. Die Geschichte eines jungen Taenzers (Lotfi Abdelli in einer seiner besten Rollen), der zum Selbstmordattentaeter wird, beginnt mit einer starken, rhytmischen Eroeffungssequenz, die in einer Breakdance Battle in einer Bahnhofsunterfuehrung endet. Urspruenglich sollte der Film Kamikaze heissen, doch daraus ist ein Making Off geworden, ein Film im Film, in dem Lotfi Abdelli mit seinem Regisseur die Rolle des Taenzers Bahta diskutiert, ihr Verhaeltnis zu Religion, Politik und Gesellschaft. Der Film ist politisch und trotzdem von einer gewissen Leichtigkeit, ehrlich, in der Gesellschaft verankert und frei von jeglichem aufgesetzten Diskurs oder falschem Traditionalimus. Allgemeine Begeisterung also aller Orten.
Gestern war fuer mich Tunesien-Tag: Morgens Junun, Fadhel Jaibis Adaption des gleichnamigen Theaterstuecks. Mohammed Ali Ben Jemaa als psychisch Kranker, im Dialog mt seiner Familie und seiner Therapeutin (Jallila Baccar). Trotz einer gewissen Theatralitaet, vor allem in der Raumgestaltung, hat die Adaption ihren Reiz und eine ungeheure Kraft, die einen geplaettet im Kinosessel zuruecklaesst. Wie auch Elyes Baccars Elle et Lui verweist die Krankheit der Hauptfigur auf ein komplexes gesellschaftliches und vor vor allem politisches Problem hinweist. Und Jaibi liess es sich nicht nehmen, in deutlichen Worten auf die Zensur seines letzten Theaterstueckes Khamsoun (Corps Otages) hinzuweisen und die Praktiken der "beratenden Kommission" hinzuweisen.
Schliesslich die Premiere von Hichem Ben Ammars lange erwartetem neuen Dokumentarfilm Chuft ennoujoum fi qaila (J'en ai vu des étoiles). Wie schon in seinen vorherigen Arbeiten Rais Labhar und Cafichanta beweist der Regisseur sein Talent, aussergewoehnliche Protagonisten zu finden. Ben Ammar zeigt ein Tunesien, dass man nicht im Fernsehen sieht, dass in keinem offiziellen Diskurs auftaucht. In Chouft ennoujoum... zeichnet er die Geschichte des Boxsports in Tunesien nach, von den Anfaengen zu Beginn des 20. Jarhunderts, als die Sportler noch eine Gruppe, eine Familie waren, bis zum heutigen Tag, wo es sich um junge Einzelkaempfer handelt. Dies nimmt er zum Anlass, Maenner zu zeigen, die auf Macho machen und trotzdem verletzlich sind, Figuren, denen man trotz aller Vorbehalte Sympathie entgegenbringt, und ein Film, der den Zuschauer nicht unberuehrt laesst.
Am Abend ein soirée africaine mit der Band des im Fruehjahr verstorbenen Meister des malischen Blues, Ali Farka Touré. Und die Erinnerung an all diejenigen, die nicht dasein koenne, allen voran den Gruendervater der JCC , Tahar Cheriaa, der ebenso im Kranenhaus liegt wie Taieb Louhichi nach seinem schweren Verkehrsunfall Anfang des Jahres.

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