14.11.2006

JCC -4-

13. November Im Wettbewerb montags: die libanesische Musikkomödie Bosta, ein Film, der die Nachbürgerkriegs-Generation zeigt. Eine Tanzgruppe tourt mit ihrer modernen Version des Dabke durchs Land und trifft auf viel Ablehnung. Jung gegen Alt, Tradition gegen Moderne. Ein Film, der Hoffnung auf einen konfessions- und generationenübergreifenden Neuanfang im Libanon vermitteln will. Außerdem Jamila Sahraouis (u.a. Stille Tage in der Kabylei) erster Spielfilm Barakat . Ebenfalls ein Portrait zweier durch den Krieg geprägter Generationen, der trotz einiger Schwächen vor allem des Drehbuchs und der Musik durch großartige Hauptdarstellerinnen und eine sensible Herangehensweise an die Ereignisse des algerischen Bürgerkriegs überzeugt. Im Panorama zu sehen unter anderem Moncef Dhouibs (Ya sultan el medina) populäre Satire La télé arrive, in der der Regisseur in Stand-Up-Comedy-Manier die Regierungsfunktionäre aufs Korn nimmt, sowie die tunesischen Kurzfilme Sabah el Khir und Train Train und der vielleicht beste, von Abbas Kiarostami beinflusst wirkende La Moisson Magique (lief u.a. auch in Oberhausen). Die diversen Nebenreihen: Nabil Ayouchs (Mektoub, Ali Zaoua) Une minute de soleil en moins (Lahthat zalam, 2002): freizügig, wild, kritisch – so dass der marokkanische Staat nach der Fertigstellung die Förderung zurückverlangte… Congo River, der neue Film des renommierten belgischen Dokumentarfilmers Thierry Michel und Fatih Akins Crossing the bridge, der hauptsächlich der guten Musik wegen und weniger auf Grund der filmischen Umsetzung sehenswert ist. Dann J’ai vue tuer Ben Barka: in bester französischer Kriminal- und Spionagefilm-Manier und kongenial umgesetzt in präzise, düstere Bildern des Paris der De Gaulle-Ära rollt Regisseur Serge Le Peron die Hintergründe auf, die zur Entführung des marokkanischen Oppositionellen Mehdi Ben Barka führten. Nachdem die Hintergründe jahrzehntelang unter Verschluss gehalten wurden und Ben Barkas Leichnam nie gefunden wurde (dazu beizeiten mehr). Zahlreich vertreten in diesem Jahr die tunesischen Filme, unter anderem läuft Moufida Tlatlis weitgehend unbemerkter Film Nadia et Sarra, eine Produktion von Arte, die dort auch im Sommer ausgestrahlt wurde. Nicht nur wegen der Hauptrolle, die von Hiam Abbas gespielt wird, erinnert der Film über einen Mutter-Tochter-Konflikt frappierend an Raja Amaris Satin Rouge. Bei einigen Einstellungen reibt man sich wirklich verwundert die Augen und muss sich fragen, woher man die kennt. Ganz abgesehen von der inflationären Verwendung roter Kleider als Symbol der Freiheit der Frau (ich hatte das bis jetzt eher für eine Phantasie von Tlatlis männlichen Kollegen gehalten – vielleicht zeigt sich hier aber auch einfach der Einfluss von Ko-Autor Nouri Bouzid) ist es doch schade, dass Tlatli ihrer verzweifelten, sich in einer Krise befindenden Hauptfigur jegliche Würde nimmt. Sie reduziert ihr Leiden darauf, dass die Frau in den Wechseljahren ist und zu blöd, die Hilfe anderer Menschen anzunehmen. Tiefgang? Fehlanzeige. Wie schon am Vortag: der Videowettbewerb lohnt sich! What a job?, ein jordanischer Kurzfilm mit einer witzigen Grundidee (gesucht wird der Minister of Hope for the Middle East) und Je suis celle qui porte les fleurs vers sa tombe, ein sehr intimer Dokumentarfilm einer syrischen Migrantin, die aus politischen Gründen im Gefängnis saß, ihre Heimat verlassen hat und nach langen Jahren in Paris wieder zurückkehrt. Auf der Suche nach den Spuren der Vergangenheit gelingt ihr ein Blick unter die Oberfläche der syrischen Gesellschaft. Ihr Projekt ist es, die Filme zu drehen, die sie schon lange drehen wollte. Je suis celle… zeigt ihre Recherche, die zum eigenständigen Film geworden ist, kein bloßes Making Off, sondern eine Auseinandersetzung mit ihrem eigenen Verhältnis zu ihrer ehemaligen Heimat.

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