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12.05.2007

Photocopy

Der Andrang im Qabbani-Theater (benannt nicht nach Nizar Qabbani sondern nach dem Gründervater des modernen arabischen Theaters Abu Khalil al Qabbani) war groß, als am Donnerstagabend Photocopy Premiere feierte. Unter der Regie von Maher Salibi liefen die beiden Hauptdarsteller Yara Sabri und Muhamad Hdaki zu Höchstleistungen gen auf. Insbesondere letzterer überzeugte als kleiner Büroangestellter. Das Stück beginnt mit Hdakis erstem Tag im Büro, wo er zum ersten Mal seiner Kollegin begegnet und ihr sofort verfällt. Die Jahre vergehen und die beiden Figuren sitzen sich den Rest ihres Berufslebens in einem von Hasslieben geprägten Verhältnis an ihren beiden Schreibtischen gegenüber. Ihre Träume sind klein und bescheiden, genau wie das Leben, das sie führen, doch nicht einmal die einfachen Wünsche werden wahr. Ein bisschen Hoffnung vermittelt allein Fairouz, deren Stimme aus dem Radio schallt, das sonst nur Jahr für Jahr politische Schreckensmeldungen verbreitet. Am Ende sitzt der Zuschauer zwei altgewordenen Menschen gegenüber, die die Welt voller Computer, SMS und Nancy Ashram nicht mehr verstehen. Der Titel ist Konzept und beeinflusst selbst das Bühnenbild, das wie an einer Achse gespiegelt erscheint. Rechts und links eine Tür, rechts und links ein Schreibtisch, rechts und links ein Mensch, dessen fehlende Zukunftsperspektive sie zu Stellvertretern einer ganzen Generation werden lässt. Die Kontakte zur Außenwelt sind rar. Links ein Radio, aus dem die Außenwelt ins Büro dringt, rechts ein Telefon, mit dem die Angestellten den Kontakt wahren. Je länger sie im Büro sitzen, desto bedrohlicher schieben sich die Wände zusammen, desto enger wird der Raum, der den Figuren zur Verfügung steht. Der Direktor des Unternehmens bleibt ein unsichtbares Wesen hinter der einen Tür, einzig ein Stummer (Mansor Nasr) kommt hin und wieder vorbei, staubt ab und bringt Kaffee vorbei. Photcopy ist eine bedrückende Parabel auf das Leben in einem autoritären Regime, eine bittere Groteske, die in düsteren Farben das Portrait einer Generation zeichnet, deren Träume von der Realität erstickt werden.

16.12.2006

Gute und schlechte Nachrichten aus Tunis...

... beide gefunden im Blog von Nadia From Tunis. Die gute: Fadhel Jaibi sagte in einem Interview mit MosaiqueFM, dass Corps Otages voraussichtlich Anfang 2007 ohne Veränderungen in Tunis zu sehen sein wird. Offenbar hat sich nach einem klärenden Gespräch und öffentlichem Druck das Kulturministerium bereiterklärt, auf die 285 (!) geforderten Veränderungen und Eingriffe zu verzichten. Die schlechte: der tunesische Schauspieler Mustapha Adaouani ist am Donnerstag im Alter von 60 Jahren gestorben. Er spielte unter anderem in L'homme de cendres, Asfour Stah, Été à la Goulette, Bab el Arch und Le Prince. Nachrufe unter anderem hier und hier.

05.12.2006

Interview mit Fadhel Jaibi

Hier ein kleiner Verweis auf ein hochinteressantes Interview mit Fadhel Jaibi à propos Junun, die tunesische Film- und Theaterszene, die Zensur von Khamsoun etc pp, erschienen gestern in Le Temps.
Und wo wir gerade bei Jaibi sind: hier gibt es die Dokumentation von Mahmoud Ben Mahmoud Fadhel Jaibi, un théâtre en liberté.

28.11.2006

Khamsoun - Corps Otages

Wie ich bereits geschrieben hatte wurde das Stück Khamsoun (Corps Otages) von Fadhel Jaibi und Jelila Baccar in Tunesien zensiert. Jetzt gibt es eine Online-Petition dagegen. Unterschreiben kann man hier, der Text lautet wie folgt:
PETITION Soutien à Jalila Baccar et Fadhel Jaïbi, auteur dramatique et metteur en scène tunisiens
Nous apprenons qu'en Tunisie la commission consultative dite d'orientation théâtrale a recommandé la censure de la pièce Khamsoun("Corps otages"). Cette recommandation est effective depuis qu'elle a été entérinée par le ministre de la Culture. Faut-il rappeler que les auteurs de cette pièce, Jalila Baccar et Fadhel Jaïbi, ont été au coeur du renouvellement théâtral en Tunisie et dans le monde arabe? Depuis trente-cinq ans, ils ne cessent, de pièce en pièce, de révolutionner cet art et de l'enrichir par des innovations scéniques animées par un esprit critique qui dénonce les défauts, les manquements et les chimères de leur société. Leur oeuvre est, en outre, mondialement reconnue et célébrée. Et ceux qui ont eu le privilège d'assister en juin dernier à Paris au spectacle de leur pièce (à l'Odéon Théâtre de l'Europe), désormais interdite dans leur pays, ont été impressionnés par sa performance littéraire et artistique ainsi que par sa juste portée politique. Ne répercute-t-elle pas par les purs moyens du théâtre la violence intégriste et l'idéologie rampante qui la sous-tend et qui, insidieusement, se répand pour légitimer le crime? Comment un régime construit sur la modernité prive-t-il la société qu'il gouverne d'un travail de représentation émanant de sa réalité et destiné à aider les citoyens à mieux saisir les ressorts de la crise qui bloque les évolutions, favorise les régressions et pénalise l'avenir? Nous nous élevons avec force contre cet acte de censure qui prive les artistes de leurs moyens de vie et de leur raison d'être.
Sustain to Jalila Baccar and Fadhel Jaïbi, Tunisian drama writers and theatre directors
We have just learned that, the Consultative Commission called “d'orientation théâtrale" in Tunisia has recommended the censorship of the Play “Khamsoun” (“Corps otages”) .This recommendation is fully effective since it has been ratified by the Ministry of Culture. Needless to remember that the authors of this play, Jalila Baccar and Fadhel Jaïbi, have been at the heart of the theater rebirth in Tunisia as well as in the rest of the Arab world. For the last 35 years, through each of their stage creations, they have never stopped stiring up the world of the Theatre and injecting new impulse to it. They have fed and enrichened it by scenographical innovations unveiling the failures, the gaps, and the make believes of the Society they live in. Moreover, their numerous performances have been worldwide acclaimed. Those of you who have had the chance to applaud them on the occasion of their latest * now banned * play at the Odéon Théâtre de l'Europe in Paris in June have been impressed by its high literary and artistically quality as well as by the soundness of its political dimension. Indeed, this play reflects, through the pure magic of theater tools the violence of radicalism and the creeping ideology lying underneath it, legitimizing crime. How can a regime supposedly based on modernity deprive citizens it is ruling from a performance aiming at raising their awareness of the root causes of a crisis which jeopardizes progress, encourages regression and endangers the future? We strongly condemn this act of censorship which deprives the artists from their source of living and above all, from their very reason to live.

15.11.2006

JCC -5-

14. November
Nouri Bouzid ist wieder in Form. Das war wohl die zentrale Erkenntnis des gestrigen Tages nach der Premiere seines neuen Films Making Off. Die Geschichte eines jungen Taenzers (Lotfi Abdelli in einer seiner besten Rollen), der zum Selbstmordattentaeter wird, beginnt mit einer starken, rhytmischen Eroeffungssequenz, die in einer Breakdance Battle in einer Bahnhofsunterfuehrung endet. Urspruenglich sollte der Film Kamikaze heissen, doch daraus ist ein Making Off geworden, ein Film im Film, in dem Lotfi Abdelli mit seinem Regisseur die Rolle des Taenzers Bahta diskutiert, ihr Verhaeltnis zu Religion, Politik und Gesellschaft. Der Film ist politisch und trotzdem von einer gewissen Leichtigkeit, ehrlich, in der Gesellschaft verankert und frei von jeglichem aufgesetzten Diskurs oder falschem Traditionalimus. Allgemeine Begeisterung also aller Orten.
Gestern war fuer mich Tunesien-Tag: Morgens Junun, Fadhel Jaibis Adaption des gleichnamigen Theaterstuecks. Mohammed Ali Ben Jemaa als psychisch Kranker, im Dialog mt seiner Familie und seiner Therapeutin (Jallila Baccar). Trotz einer gewissen Theatralitaet, vor allem in der Raumgestaltung, hat die Adaption ihren Reiz und eine ungeheure Kraft, die einen geplaettet im Kinosessel zuruecklaesst. Wie auch Elyes Baccars Elle et Lui verweist die Krankheit der Hauptfigur auf ein komplexes gesellschaftliches und vor vor allem politisches Problem hinweist. Und Jaibi liess es sich nicht nehmen, in deutlichen Worten auf die Zensur seines letzten Theaterstueckes Khamsoun (Corps Otages) hinzuweisen und die Praktiken der "beratenden Kommission" hinzuweisen.
Schliesslich die Premiere von Hichem Ben Ammars lange erwartetem neuen Dokumentarfilm Chuft ennoujoum fi qaila (J'en ai vu des étoiles). Wie schon in seinen vorherigen Arbeiten Rais Labhar und Cafichanta beweist der Regisseur sein Talent, aussergewoehnliche Protagonisten zu finden. Ben Ammar zeigt ein Tunesien, dass man nicht im Fernsehen sieht, dass in keinem offiziellen Diskurs auftaucht. In Chouft ennoujoum... zeichnet er die Geschichte des Boxsports in Tunesien nach, von den Anfaengen zu Beginn des 20. Jarhunderts, als die Sportler noch eine Gruppe, eine Familie waren, bis zum heutigen Tag, wo es sich um junge Einzelkaempfer handelt. Dies nimmt er zum Anlass, Maenner zu zeigen, die auf Macho machen und trotzdem verletzlich sind, Figuren, denen man trotz aller Vorbehalte Sympathie entgegenbringt, und ein Film, der den Zuschauer nicht unberuehrt laesst.
Am Abend ein soirée africaine mit der Band des im Fruehjahr verstorbenen Meister des malischen Blues, Ali Farka Touré. Und die Erinnerung an all diejenigen, die nicht dasein koenne, allen voran den Gruendervater der JCC , Tahar Cheriaa, der ebenso im Kranenhaus liegt wie Taieb Louhichi nach seinem schweren Verkehrsunfall Anfang des Jahres.