Bled Number One ist eine Entdeckungsreise. Eine lange subjektive Kamerafahrt führt den Zuschauer zu Beginn durch die algerische Provinz, bis er schließlich in einem kleinen Dorf ankommt. Doch nicht nur der Zuschauer entdeckt, sondern auch Kamel, verkörpert von Regisseur Rabah Ameur-Zaimeche. Nach einer Gefängnisstrafe aus Frankreich, gewissermaßen dem Bled No.2, ausgewiesen (Wesh wesh, qu’est-ce qui se passe?), kehrt er in das Land seiner Eltern, sein Bled No.1 zurück. Und entdeckt, neugierig, aber ohne alle Zusammenhänge oder gar die Sprache zu verstehen, ohne zu bewerten. Er entdeckt die Familie, aber auch die Schrecken des Integrismus, denen er in der Enge des Dorfes nicht entgehen kann.
Ameur-Zaimeche, studierter Soziologe und filmischer Autodidakt, ist ein Meister der stillen Beobachtung. Er verzichtet fast völlig auf Effekte, sondern lässt seine dokumentarisch anmutende Kamera auf den Figuren verweilen. Er filmt die Verdrängung, das Schweigen, den unmöglichen Versuch, zu vergessen. Er verzichtet auf überladene politische Dialoge. Es reicht ihm, seinen Helden und damit auch die Zuschauer nach Algerien zu entführen. Dieses Land betrachtet der Heimkehrer mit einem doppelten Blick, dem des Fremden und dem des Einheimischen. Das langweilt keineswegs, sondern erzeugt eine ungeheure Spannung. Denn irgendwo im Hintergrund lauert eine ständige Bedrohung, die jedoch nie angesprochen wird. Sie manifestiert sich stattdessen in einzelnen Gewaltausbrüchen von Fundamentalisten oder der Geschichte einer jungen Frau, die, vom Ehemann verstoßen, sich von einer bekannten Selbstmörder-Brücke stürzen will und dann in die Psychatrie eingewiesen wird (übrigens zwei Orte aus Malek Bensmails herausragendem Dokumentarfilm Alienations).
Der algerische Bürgerkrieg mag vorbei sein, doch aus den Köpfen ist er allenfalls ins Unbewusste verdrängt worden. Wie stark seine Folgen noch immer den Alltag prägen, zeigt Ameur-Zaimeche in seinem ungeheuer starken zweiten Spielfilm.
Bled No.1 (Rabah Ameur Zaimeche, Frankreich 2006)
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