Der Dokumentarfilmwettbewerb (kurz)
Ein Niemandsland an der jordanisch-irakischen Grenze nimmt Nassim Amaouche in Quelques miettes pour les oiseaux (Algerien/Jordanien/Frankreich 2005) unter die Lupe. An der Tankstelle in der Wüste kommen nur wenige Händler vorbei, um eine Pause einzulegen, zu tanken, zu essen, mit einer der Prostituierten zu schlafen. Die langweilen sich die meiste Zeit, denn nichts passiert. Amaouche ist eine fabelhafte Beobachtung dieser Durchgangsstation gelungen, an der die Zeit still zu stehen scheint, während sie doch mitten in einem der größten Krisengebiete der Welt liegt. (Preis für den besten kurzen Dokumentarfilm)
Auch in Toi, Waguih (Ägypten/France 2005) ist die Politik nur ein Schatten, der sich über den Film legt. Namir Abdel Messeh befragt seinen Vater, einen ehemaligen Kommunisten, der nach seiner Inhaftierung unter Nasser inzwischen in Frankreich lebt, nach seiner Vergangenheit. Am Anfang will er nicht reden, flüchtet sich in „wir“s, „die Gruppe“, „die Kameraden“. Doch die Pensionierung steht an, das Leben von Waguih ändert sich einmal mehr, und langsam beginnt er, sich seinem Sohn und der Vergangenheit mit all ihren Widersprüchlichkeiten zu öffnen. Ein sensibles Porträt, das völlig ohne große Gesten und Effekte auskommt. (Mention speciale)
Zwei Filme aus dem Libanon stachen aus dem breitgefächerten Programm heraus, dass wie die langen Dokumentarfilme von Fernseh-geprägten Reportagen dominiert wurde: Ca sera beau – From Beyrouth with love (Wael Noureddine, Libanon/Frankreich 2005) und Le Trou (Akram Zaatari, Libanon 2005). Beiden geht es um die Auseinandersetzung mit dem Bürgerkrieg, beide leisten dies in ungewöhnlicher Form. Ca sera beau zeigt Bilder von Beyrouth (es könnte auch jede andere Nachkriegsstadt sein), die normalerweise nicht auf der Leinwand erscheinen: Keller mit Drogenabhängigen, wo es Heroin für 5 Dollar gibt – Innenansichten einer Gesellschaft, in der die Spaltungen trotz aller Bemühungen weiter bestehen, in einer assoziativen Montage zu einem poetisch-beklemmenden Stadtbild zusammengefügt. Le Trou zeigt deutlich, dass Zaatari aus der lebendigen libanesischen Videokunstszene kommt. Zwei Screens: Auf dem einen buddelt jemand (den Kopf sehen wir nicht) ein Loch. Auf dem anderen beginnt eine Reportage des Regisseurs über einen ehemaligen Bürgerkriegskämpfer. Der hatte am Ende des Kampfes einen Brief an die Nachwelt hinterlassen und im Garten des Hauses vergraben, in dem er sechs Jahre lang Quartier bezogen hatte. Daher also das Loch, denn Zataari sucht den Brief. Und stößt dabei auf gewaltige Widerstände. Die Geschichte sollte lieber Vergangenheit bleiben, vergraben irgendwo in der Provinz.
Ein weiterer Gewinner war Issa Freijs Le Dernier printemps à Abu Dis (Palästina/Schweiz 2005), einem kleinen Örtchen an der Mauer. Freij folgt den Bauarbeiten und hört den Anwohnern zu. Unaufdringlich registriert die Kamera jede kleine Veränderung, bei den Bauarbeiten ebenso wie bei den Menschen, die davon betroffen sind. Formal und inhaltlich stimmig erinnert der Film jedoch stark an Simone Bittons Mur.
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