Gegen die Logik globaler Finanzmärkte
Alltag in Bamako, der Hauptstadt von Mali: im Innenhof eines Wohnhauses färben Frauen große Baumwolltücher, ein Paar streitet sich, ein junger Mann liegt krank in einem der angrenzenden Zimmer, Kinder kommen und gehen. Doch mittendrin Männer und Frauen in Roben, Ankläger und Richter in einem Prozess, den die Bevölkerung gegen den Internationalen Währungsfond und die Weltbank anstrengt.
Abderrahmane Sissako verweigert sich in seinem neuen Film „Bamako“ der Logik der Weltordnung, die er in seinem Film anklagt: er begibt sich nicht zum Sitz der Entscheidungsträger, sondern dahin, wo die Ankläger leben, die tagtäglich die Auswirkungen der globalen Finanz- und Wirtschaftspolitik zu spüren bekommen. Der Prozess gegen die Mächtigen dieser Welt findet nicht etwa in New York oder Brüssel statt, wo man sonst internationale Gerichtsverfahren erwarten möchte, sondern in Mali, einem der ärmsten Länder Afrikas. Mit formaler Strenge, aber ohne didaktischen Impetus inszeniert der Weltbürger Sissako – in Mauretanien geboren, in Mali aufgewachsen, in Moskau studiert und in Paris lebend – im Haus seines kürzlich verstorbenen Vaters diesen fiktiven Prozess von Arm gegen Reich. Vom einfachen Bauern bis zum Anwalt kommt jeder zu Wort, bezeugt die Auswirkungen der internationalen Finanzpolitik und die Korruption manch eines Staatschefs. Die Richter und Anwälte in „Bamako“ üben auch im richtigen Leben diesen Beruf aus, manche Schauspieler sind Profis, und andere wiederum Verwandte des Filmemachers, die auch außerhalb der Dreharbeiten in diesem Haus leben.
Abderrahmane Sissako gelingt mit „Bamako“ eine kluge Analyse globaler Zusammenhänge – gerade, weil der Film weit mehr ist als nur eine Anklage. Denn Sissako klagt nicht nur an, er macht vor allem Kunst. Und die ist politisch, aber ohne erhobenen Zeigefinger. Vor den Dreharbeiten gab der Regisseur den Juristen Informationen über die globale Finanzpolitik, um die Plädoyers vorzubereiten, die er während der Dreharbeiten mit mehreren Videokameras einfing – ohne zu wissen, was ihn erwartet. Diesem dialoglastigen Teil gegenüber stehen die Geschichten der Hausbewohner, allen voran die der Sängerin Melé und ihres arbeitslosen Ehemanns Chaka. In ruhigen, klaren Bildern und ganz auf die ausdrucksstarken Schauspieler Thiécoura Traoré und Aïssa Maïga vertrauend inszeniert Sissako, wie das Paar an den Frustrationen des Alltags auseinanderbricht. So öffnet der Regisseur von „La vie sur terre“ und „Heremakono – Warten auf das Glück“ ohne viele Worte immer wieder den Blick für diejenigen, über deren Schicksal eigentlich verhandelt wird: für die, an denen das Verfahren scheinbar beiläufig vorbeigeht, die sich nicht dafür zu interessieren scheinen aus dem Wissen, dass auch die ständige Wiederholung schwerwiegender Argumente das Handeln der Mächtigen dieser Welt kaum beeinflussen wird. Und für die, die vor den Mauern des (Gerichts-) Hofes sitzen und den Prozess übers Radio verfolgen, weil sie nicht eingelassen werden – genauso wenig wie ein Flüchtling, der im Verlauf des Films die malische Hauptstadt verlässt und an der Festung Europa scheitert.
Mit einem Augenzwinkern fügt der Regisseur einen Spaghetti-Western in den Verlauf des Films ein. „Tod in Timbuktu“ heißt es für internationale Filmstars wie den amerikanischen Schauspieler Danny Glover oder den palästinensischen Regisseur Elia Suleiman. Doch bei aller dieser Parodie innewohnenden Ironie verweist der Western, wie auch der Gerichtsfilm ein ureigenens amerikanisches Genre, auf die nicht nur ökonomische, sondern auch die kulturelle Dominanz der Weltmächte, die sich sogar in der Wüste Malis niederschlägt. Abderrahmane Sissako beweist mit jedem seiner Filme aus Neue, dass er dieser Dominanz etwas entgegen zu setzen hat.
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