Nach seinem Aufsehen erregenden Debüt Vivre au paradis kehrt Bourlem Guerdjou mit seinem zweiten Spielfilm zurück. Zaina, Königin der Pferde (Publikumspreis in Locarno 2005) erzählt die Geschichte eines jungen Mädchens. Ihre Mutter, vom Vater noch vor der Geburt der Tochter verstoßen, lebt mit ihr in der Stadt bei Omar. Doch während eines Streits rutsch die Mutter aus, stürzt unglücklich und stirbt. Zaina gibt Omar die Schuld und will nicht zu ihm zurückkehren. Zunächst in der Obhut eines Imams taucht schließlich ihr Vater auf. Er befindet sich auf dem Weg zum legendären Pferderennen von Marrakech, das alle vier Jahre Reiter aus der ganzen arabischen Welt anzieht. Als er sich entschließt, Zaina mitzunehmen, heftet sich Omar an ihre Fersen. Er versucht um jeden Preis, das Mädchen wiederzubekommen. Auf der Reise wird Zaina erwachsen und beginnt langsam, sich ihrem Vater anzunähern. Dann beschließt sie, als Amazone das Erbe ihrer Mutter anzutreten. Nach einer Verfolgungsjagd durchs schneebedeckte Atlasgebirge kommt es beim Pferderennen zum großen Showdown.
Am Anfang steht man diesem Film etwas ratlos gegenüber. Was will er sein? Kinderfilm oder orientalisches Märchen, Abenteuerfilm oder Parabel über die Unterdrückung arabischer Frauen? Man weiß es nicht, und der Film scheint es genauso wenig zu tun. Ohne zeitlich verortet zu sein, finden sich Elemente aller Genres wieder, ohne jedoch zu einer Einheit zusammenzukommen. Für Kinder sind einige Kampfszenen sicher zu nervenaufreibend, für ein Märchen à la 1001 Nacht fehlt es an Poesie, die einzelnen Schritte und der Ausgang des Abenteuers sind allzu vorhersehbar (zumal die Schluss-Szene am Anfang vorweg genommen wird), für eine Parabel ist Zaina schlicht zu platt. So ist der Film weit entfernt von etwa der visuellen wie narrativen Brillanz eines Nacer Khemir (Les baliseurs du desert, Le collier perdu de la colombe, Bab Aziz). Die Drehbuchautorin Juliette Sales verwendet in ihrer klassischen Rache-Geschichte Motive aus 1001 Nacht und den Legenden, die sich um die Berberkönigin Kahena ranken, die sich ihres despotischen Ehemanns entledigte und ihr Volk gegen die arabische Okkupation verteidigte. Gut und Böse sind klar getrennt, die Musik gibt die Interpretation vor und das Ende eben so rührend wie vorhersehbar.
Man kann nur darüber spekulieren, wie es dazu kommt, dass Guerdjou so einen Film dreht. Doch die „Europudding“-Vermutung liegt nahe. Ein marrokanisch-stämmiger Regisseur aus Frankreich, eine französische Szenaristin, eine deutsch-französische Koproduktion mit internationalen Schauspielern (u.a. dem wunderbaren Altstar des marrokanischen Theaters, Mohamed Majd [Das Windpferd, Ali Zaoua, Mille Mois, Die große Reise, …], der seit einigen Jahren auch in vielen Filmen zu sehen ist, und, immer wieder gut: der armenisch-libanesische Schauspieler Simon Abkarian [Hier encore, Yes, Ararat, …und jeder sucht sein Kätzchen, …]) und das – wunderbar fotografierte (!) – Atlasgebirge als reine Kulisse für das klassische Action-Rache-Spektakel in orientalischer Verkleidung. Ich will Guerdjou nicht seine sicherlich guten Intentionen vorhalten (die Frau, die sich in patriarchalischem Umfeld durchsetzt…), aber leider kann Zaina weder inhaltlich noch in der filmischen Umsetzung wirklich überzeugen, zumal er letztendlich (und ich hoffe: unabsichtlich) immer wieder das Klischeebild des arabischen Mannes als patriarchalischen Despoten aufnimmt und genau die Stereotypen (backwards, Ehren-Morde, Clan-Strukturen etc) reproduziert, die auch die üblichen Verdächtigen à la Samuel Huntington immer wieder von sich geben. Schade, schade…
Zaina, Königin der Pferde (Bourlem Guerdjou, 2005, 100')
Foto: Prokino
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