03.08.2006

Volver

Der neue Film von Pedro Almodóvar kommt heute endlich auch in Deutschland ins Kino. Absolut sehenswert! Ein Friedhof in der spanischen Provinz La Mancha: ein Heer von Witwen putzt voller Hingabe die Grabsteine der verstorbenen Angehörigen. Die wichtigste Botschaft etabliert Pedro Almodóvar gleich zu Beginn: Die Frauen überleben. Männer haben in diesem rein weiblichen Universum keine Chance. Volver, „Zurückkehren“ heißt Almodóvars neuster Film, eine Familientragödie, die drei Generationen umfasst. In einem Arbeiterviertel von Madrid schuftet Raimunda (Penélope Cruz), um sich und ihre pubertierende Tochter Paula durchzubringen. Ihre geschiedene Schwester Sole betreibt in ihrer Wohnung einen illegalen Friseursalon. Und in einem kleinen Dorf in der Provinz kümmert sich die krebskranke Augustina um eine betagte Nachbarin, die Tante von Raimunda und Sole. Die alte Dame stirbt bald, dafür erscheint Irene (Carmen Maura) wieder, der Geist der Mutter der Schwestern, die vor Jahren bei einem Brand ums Leben gekommen sein soll.
Der Film ist gleich in mehrerer Hinsicht eine Rückkehr: die Vergangenheit holt die Heldinnen ein, als sie ins Dorf ihrer Kindheit zurückkehren. Doch in Volver kommt auch die Schauspielerin Penelope Cruz von Hollywood nach Spanien und zu Almodóvar zurück, ebenso wie die wunderbare Carmen Maura, die nach 18 Jahren erstmals wieder mit dem spanischen Kultregisseur zusammenarbeitete. Der wiederum besinnt sich ebenfalls auf seine Wurzeln, auf La Mancha, wo er aufgewachsen ist, und auf die rein weibliche Welt seiner frühen Filme. Dass Raimundas Ehemann keine lange Karriere bevorsteht, ist schnell klar. Gerade arbeitslos geworden sitzt er auf dem Sofa, schaut Fußball, trinkt Bier und stiert gierig seiner Tochter Paula hinterher. Raimunda macht währenddessen den Abwasch und man könnte meinen, die Kamera interessiere sich vor allem für das Dekollete von Penelope Cruz, als sie ihr beim Spülen zuschaut. Doch die hat gerade ein auffällig großes Messer in der Hand, und die Karriere des Ehemanns endet bald darauf als Leiche in einer Tiefkühltruhe. Die Frauen sind endlich unter sich, die Probleme damit jedoch keineswegs geringer.
La Mancha hätte die meisten Verrückten pro Einwohner, heißt es einmal im Film. Der Wind, der unaufhörlich durch die Dörfer bläst, der auch das Feuer anfachte, in dem Raimundas Eltern verbrannten, der scheint auch die Köpfe etwas zu verwirren. Da wundert sich auch niemand, als die totgeglaubte Irene wieder auftaucht, denn Geister gehören zum Leben dazu. Meisterhaft inszeniert Pedro Almodóvar diese beinahe surrealistisch anmutende Grundidee, das Hin und Her zwischen Leben und Tod. Doch es geht dabei äußerst pragmatisch und wenig übersinnlich zu: (Der Geist von) Irene steigt aus dem Kofferraum von Soles Auto, versteckt sich unter dem Bett und furzt. Die Heldinnen, ja der ganze Film sind erdig wie La Mancha, bunt, aber weniger stilisiert als in den früheren Filmen des spanischen Regisseurs. Penélope Cruz hat dabei jegliche Hollywood-Attitüde abgelegt. Sie ist keine artifizielle Retortenschönheit mehr, sondern ein warmherziges Wesen. Sexy, aber mit verstrubbelten Haaren kämpft sie sich durchs Leben. Und als sie in einer ergreifenden Szene einen Tango singt, den sie als Kind von ihrer Mutter gelernt hat, da hält man ihre Filmtränen unweigerlich für echt. Auf großartige Weise meister Almodóvar die Fallhöhe zwischen grotesker Komik und Melodram. Der Tragik der Figuren, immer auf der Suche nach Lösungen, um der Tristesse des Lebens zu entfliehen, verleiht er eine Leichtigkeit und Würde, die im zeitgenössischen Film ihresgleichen sucht. Und so entsteht ein meisterhaftes Werk über den Tod, der das Leben feiert.

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