Endlich ein kurzer Bericht zum Kolloquium „Les condition nécessaires à l’émergence d’un marché du cinéma euro-arabe“, moderiert vom algerischen Kritiker und Produzenten Ahmed Bedjaoui.
Um es kurz zu fassen: europäische Filme kommen im arabischen Raum genauso wenig an wie arabische in Europa. Und wenn überhaupt, dann auf eher kompliziert gewundenen Pfaden.
Der Vormittag war dem arabischen Raum gewidmet. Bedjaoui betonte die Bedeutung des Kinos für die Bevölkerung, denn Bilder seien eben gerade keine Regierungs-Communiques, sondern Ausdruck des Lebens, notwendig, um zu existieren. In Europa seien arabische Filme jedoch fast nur im „Ghetto“ der Festivals zu sehen.
Gleiches beklagte auch Ali Abou Chadi, Direktor des Nationalen Ägyptischen Filmzentrums. Und dies gelte ebenso für europäische Filme in der arabischen Welt, wo vor allem amerikanische und indische Filme dominieren – neben dem ägyptischen Unterhaltungskino, versteht sich. Höchstens durch private Initiativen wie etwa die von Manal Khoury, ein europäisches Festival zu organisieren, seien die Filme dem Publikum überhaupt zugänglich (abgesehen von DVDs, die gleichzeitig die Möglichkeit bieten, die Zensur zu umgehen).
Abdel Kader Benkiran, Präsident des marokkanischen Verleiherverbandes, beklagte die katastrophale Verschlechterung in seiner Heimat. Die Zahl der Verleiher sei von 30 in den 80er Jahren auf gerade einmal 3 zurückgegangen, die Zahl von 20 Millionen Zuschauern pro Jahr auf 4 Millionen im vergangenen Jahr, die der Säle von 250 auf 80 im ganzen Land (Tunesien weist eine ähnliche Entwicklung auf, dort haben in den vergangenen zwei Jahren sechs Kinos geschlossen, es verbleiben nur noch rund 15 von ehemals ca. 80 Sälen). Schuld an der Entwicklung seien vor allem die Satellitenschüsseln und die wachsenden Filmpiraterie, die es erlaubt, an jeder Ecke aktuelle Filme für 2 bis 3 Euro zu kaufen, lange bevor sie es auf die marokkanischen Leinwände schaffen. Traurige Bilanz: „Le cinéma au Maroc n’existe plus.“
Ähnlich schlimm die Situation in Algerien: Trotz dem Aufwind, in dem sich die Kultur nach dem Ende des Bürgerkriegs befindet, gibt es gerade einmal fünf Kinos, von denen drei Säle auch für Musik und Theater genutzt werden, um überhaupt kostendeckend zu arbeiten, berichtet der Produzent und Verleiher Hachemi Zertal (Cirta Films, Clair Obscur). Auf staatlicher Seite herrsche eine Politik des non-faire, private Initiativen erfahren keinerlei Unterstützung, beklagte er. Im Gegensatz zu Benkiran sieht Zertal jedoch auch positive Effekte der Piraterie. Viele Menschen würden die Filme in den Kinos schon kennen, nutzten jedoch die Möglichkeit, sie noch einmal auf der großen Leinwand zu sehen. Dies träfe zum Beispiel für Merzak Allouaches Chouchou oder Nadir Mokneches Viva Laldjerie zu, die mit 40 000 bis 50 000 Besuchern relativ erfolgreich waren.
Einzig Mohsen al-Mokadem, Direktor von Qatar Cinéma & Filmdistribution Co, hatte auch positives zu berichten. Immerhin gäbe es in den Emiraten 232 Kinos. Mit 17 europäischen Filmen (von 3000 gesamt) war deren Stellenwert 2005 jedoch ebenfalls gering. Dies sei einerseits dem Scheitern europäischer Verleiher zu schulden, die nur geringes Interesse am arabischen Markt zeigten, andererseits auch der zunehmenden und viel beklagten Amerikanisierung der Kultur (außer ägyptischen Filmen liefen keine anderen arabischen Filme in Qatar).
Ergebnis des Vormittags: Es fehlt sowohl an einer guten Zusammenarbeit europäischer und arabischer Verleiher, als auch an dem vielbeschworenen marché sud-sud.
Der Nachmittag war dann der Distribution arabischer Filme in Europa gewidmet. Die Situation ist ebenfalls kläglich, die Filme kommen im Normalfall weder ins Kino, noch ins TV oder auf DVD (noch nicht mal als Raubkopie an jeder Straßenecke).
Eric Lagesse von Pyramide Distribution zeichnete den Erfolgsweg von Elia Suleimans Intervention Divine nach, der Dank ein bisschen Mut von Verleihern, Festival-Auswahlkomitees und Jurys und Dank von Anfang an hervorragendem Presseecho von Cannes aus die Welt eroberte.
André de Margerie, Direktor der Internationale Beziehungen von Arte France, präsentierte einen Haufen Zahlen. Fakt ist: 86% des Arte-Programms, der ja primär per Staatsvertrag und in seinem Selbstverständnis ein europäischer Kulturkanal ist, ist europäisch. Bleiben noch 14% für den Rest der Welt. Und die wollen gerecht aufgeteilt werden. Von den 20 pro Jahr (co-) produzierten Filme ist dann auch die Hälfte französisch. Und auch die außer-europäischen Projekte müssen von einem französischen Produzenten vorgelegt und zumindest co-finanziert sein. So ging die Rechnerei noch eine Weile weiter, mit dem Ergebnis, dass wenig Platz ist für arabische (Tele-)Filme (circa 2 oder 3 pro Jahr).
Auch Christoph Terhechten (Berlinale Forum) und Berlinale-Chef Dieter Kosslick kamen zu Wort und hoben vor allem die Bedeutung des Talent Campus und des World Cinema Funds hervor, der in den Tat den Vorteil hat, dass das Geld nicht in einem bestimmten Land (i.d.R. dem der Geldgeber) ausgegeben werden muss. Ansonsten aber viele hohle Floskeln und ein unerträglicher Tonfall („my country – your countries“), der verdammt nach neokolonialistischer Attitüde klang (Im Sinne von: "Das große Europa muss den armen unterentwickelten Arabern helfen, Filme zu machen") – da wäre ein marché sud-sud eben doch die vorzuziehende Variante.
Zum Abschluss wurden dann noch das Programm Euromed Audiovisual II und La Caravane vorgestellt.
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