02.08.2006

8. Biennale des cinémas arabes (III)

Dienstags führte der Spielfilmwettbewerb wieder in den Libanon (der yemenitische Film Un jour nouveau dans le vieux Sanaa lief leider nicht). In Wajdi Mouawads Littoral (Libanon,/Kanada/Frankreich 2004) folgt das Publikum dem libanesisch-kanadischen Helden Wahab, wie er das Land seiner Eltern entdeckt. Der Anlass ist ein trauriger: sein Vater, zu dem er Jahre lang keinen Kontakt hatte, ist gestorben, der Sohn möchte ihn in der Heimat beerdigen. Doch die Familie wehrt sich dagegen, dass er neben Wahabs Mutter begraben wird, die bei der Geburt ihres Sohnes gestorben ist. Wahab rebelliert und macht sich ohne Sprachkenntnisse oder Orientierung nur mit dem Sarg des Vaters auf in dessen libanesisches Heimatdorf. Das dies nicht gut gehen kann, ist abzusehen. Der Film mag kein Meisterwerk sein, aber er ist ehrlich. Mouawad lebt nicht im Libanon, kennt das Land nicht, und er gibt dies zu: so hebt sich Littoral positiv von all jenen Filmen arabischer Exilanten ab (wie z.B. Merzak Allouache), die glauben, die lange verlassene Heimat noch zu kennen. Mouawad hat den Kontakt zu diesem Land verloren, doch statt dies zu leugnen macht er es zum eigentlichen Thema seines Films. Ahlam (Irak/UK 2005) von Mohamed Ad-Daradji spielt in einer Psychatrie in Bagdad während des Irak-Kriegs. Dort treffen drei Figuren aufeinander, drei schwere Schicksale: ein junger Arzt, gerade von der Uni gekommen, die junge Ahlam, durch die Verhaftungen ihres Mannes traumatisiert, und der Deserteur Ali, der bei einem amerikanischen Bombenangriff seinen besten Freund verloren hat. Der Film will die Schrecken des Krieges realistisch darstellen, immer wieder zeigt der Regisseur den Bombenhagel auf die irakische Hauptstadt, der Lärm der Geschütze ist ohrenbetäubend. Doch die Schicksale der Figuren, der eigentlichen Opfer des Kriegs, treffen sich zwar im Krankenhaus, bleiben aber nebeneinander stehen, ohne in Beziehung zu einander gesetzt zu werden oder besondere Intensität zu entwickeln. Ebenfalls im Irak, allerdings in den Kurdengebieten im Norden, spielt Le Temps des narcisses (Irak/Frankreich 2005). Der Film von Masoud Arif Salih und Hussein Hassan Ali gewann bereits auf der Berlinale 2006 den Preis von Amnesty International und tourt seitdem erfolgreich durch die Festival-Welt. Großartig fotografiert, im Stil an Yilmaz Güneys Meisterwerk Yol und an die Filme etwa Bahman Ghobadis erinnernd, zeigt er anhand eines Einzelschicksals den harten und aussichtslosen Kampf der kurdischen Peshmergas, die sowohl vom Iran als auch vom Regime Saddam Husseins bedroht wurden. Und wieder zurück in die Psychatrie: Khochkhach (Fleur d’oubli Tunesien/Marokko 2005) von Selma Baccar konzentriert sich auf das Schicksal der jungen Tunesierin Zakia. Um ihre Eheprobleme zu vergessen, betäubt sie sich mit Schlafmohn, wird bald abhängig und in die Psychatrie eingewiesen. Baccar, die mit Fatma 1975 noch für die Rechte der Frauen kämpfte, zeigt sich in Khochkhach ausgesprochen konservativ und die Heldin als Wesen, das sich nur über die Anerkennung eines Mannes definiert. Jegliche Würde der Hauptfigur bleibt dabei auf der Strecke, denn in der Anstalt verkommt sie zur Verrückten ohne Persönlichkeit. Donnerstag war der Tag der gespannt erwarteten ägyptischen Produktion L’Immeuble Yacoubian (Ägypten 2006), Marwan Hameds Verfilmung des gleichnamigen Romans von Alaa Al Aswany, der in und um Kairo für Aufruhr sorgte. In einem Gebäude mitten in der ägyptischen Hauptstadt treffen verschiedene Menschen unterschiedlicher Herkunft aufeinander: ein Schuhputzer, der durch Drogenhandel zu Geld gekommen ist, ein homosexueller Journalist, eine junge Verkäuferin, deren frustrierter Verlobter sich den Islamisten zuwendet. Knapp drei Stunden lang folgen wir nun den Leben dieser Figuren, verkörpert von so großen Namen wie Yusra, Adel Imam, Nour El-Sherif und Hend Sabri. Dabei ist leider von Anfang an vorhersehbar, wie die Geschichte ausgehen wird, die Figuren flach, die Behandlung vermeintlicher Tabu-Themen wie Homosexualität ziemlich zweifelhaft. Kurz: es ist völlig unverständlich, wieso ausgerechnet so ein Film gleich drei Preise abräumt. Souad Ben Slimane schreibt am 26.Juli in der tunesischen Zeitung La Presse, sonst ja nicht gerade als Hort des kritischen Geistes bekannt, ziemlich treffend: Il a fallu une heure moins le quart, à peu près, pour qu’il se passe quelque chose dans le film. Tout ce début qui s’étire en longueur, ressemble à un traitement de feuilleton de télévision où les événements ont tout leur temps pour arriver.Mais ce qui arrive enfin est un cocktail de désastre.La jeune vendeuse se retrouve dans les bras de Zaki Bacha. Ils se font tous les deux arrêter par la brigade des mœurs. El Haj Azzam fait kidnapper sa seconde épouse par des criminels qui la font avorter de l’enfant non désiré par le père. Taha, arrêté et torturé par la police, finit par se venger, tuer son bourreau et se faire tuer à son tour L’amant du rédacteur en chef perd son enfant après avoir avoir perdu sa «virilité» et le rédacteur en chef se fait étrangler par sa derrière conquête. En voulant peut-être nous montrer une faune de société tanquant entre désespoir et tentative de survie, l’auteur n’a pas pu s’empêcher de nous servir d’inconsistants discours moralisateurs qui se profilent nettement à chaque fois qu’il expose un personnage. Ça se gâte et ça part dans tous les sens sans, bien entendu, proposer la moindre réflexion sur des questions gravissimes telles que l’intégrisme par exemple. Bien au contraire, il va jusqu’à susciter la sympathie du spectateur envers ce jeune homme qui se transforme en assassin et n’hésite pas à punir l’homosexuel en le condamnant à mort. Comprenez : c’est toujours gênant d’entendre une salle applaudir un meurtre, fut-ce celui d’une infâme crapule. Et puis où est passé l’immeuble dont le film porte le titre et qui est sensé réunir tous ces personnages? En tant que lieu principal, il a fallu le chercher à la loupe et deviner les liens qui le lient aux personnages. Et qui est ce personnage principal sensé représenter la conscience de l’auteur? Serait-il ce fainéant qui aime se faire appeler «Zaki Bacha» et qui rêve du bon vieux temps? En voulant «dénoncer» les changements de la société égyptienne des dernières décennies, les auteurs ont fini par caricaturer leur propre film. On sent une ambition inavouée, celle de refaire un «karnak» greffé d’un «short cuts». Mais la distribution à la Altman n’aboutit qu’à un «Caire, les années 30» en négatif, faute d’un véritable sens de la dramatisation. Seuls les acteurs semblent s’amuser de leur présence dans le film. Total : L’immeuble Yakoubian qui a fait vibrer le tout Caire, n’est-il qu’une façade ? Nach diesen drei Stunden und der Biennale-typischen Verspätung hatte es Elle et Lui von Elyes Baccar (Tunesien 2004) leider ziemlich schwer, so dass am Ende weit nach Mitternacht nur noch wenige Leute im Saal übrig geblieben waren. Schade, denn Baccars Regiedebüt, für gerade einmal 15 000 TD (knapp 10 000€) und ohne Unterstützung des Staates gedreht, ist vielleicht das Außergewöhnlichste, was die Biennale und der tunesische Film seit Jahren gesehen haben. Radikal, von unerträglicher Spannung geprägt treffen zwei namenlose Figuren, Sie und Er, am Rande einer Psychose, in einer Winternacht in einer Wohnung aufeinander. Der Film liegt irgendwo zwischen dem Dekor von Wong Kar Wais In the Mood für Love und der implodierenden Gewalt in den Filmen Fassbinders. Elle et Lui ist Ausdruck eines unerträglichen Leidens an der Gesellschaft und der Politik, Ausdruck der Unfähigkeit, zu kommunizieren und einer stillen Verstörung. Mutig! Mehr davon! (langer Text folgt) Les ombres du silence (Abdullah Al-Moheissen, Saudi-Arabien 2006) ist eine saudische Big Brother-Variante. Drei Intellektuelle finden sich in einer Klinik in der Wüste interniert, wo sie unter Dauerüberwachung stehen und einer Gehirnwäsche unterzogen werden sollen. Das klingt zunächst mal kritisch, doch spätestens an dem Punkt, als ein Schriftsteller interniert wird, weil er der Meinung sei, die Globalisierung gefährde die Integrität der saudischen Frauen wird man dann doch stutzig…

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