24.07.2007
Khorma (Jilani Saadi, Tunesien 2002)
Die Verführungen der Macht
Wenn man von einem Richtungswechsel im aktuellen tunesischen Film spricht, dann darf ein Regisseur nicht übersehen werden: Jilani Saadi. Zuletzt lief sein zweiter Spielfilm U'rs edh-dhib (La tendresse des loups) auf den JCC, doch schon 2002 erregte er mit Khorma (La Betise) Aufsehen, einer mutigen Abwandlung des Themas des Dorfdeppen. In beiden Filmen zeigt Saadi die Schattenseiten der tunesischen Gesellschaft, das verkommene, dreckige Tunesien voller Machtspiele und Doppelmoral.
Khorma (überzeugend verkörpert von Mohamed Hassine Graya), ein junger geistig Behinderter wächst bei Bou Khalbe in Bizerte auf, einer Kleinstadt an der nordtunesischen Küste. Bou Khalbe verkündet Hochzeiten und Todesfälle. Doch er wird alt und eines Tages irrt er sich. Statt einer Hochzeit verkündet er den Tod der Mutter der Braut. Die Aufregung wird umso größer, als die Frau wenige Tage später tatsächlich stirbt. Es ist an der Zeit, Bou Khalbe abzulösen. Die Ältesten entscheiden sich für Khorma. Doch den jungen Mann zu manipulieren und für ihre Zwecke einzusetzen, ist schwerer, als sie gedacht haben. Denn er entwickelt schnell ein starkes Machtbewusstsein, kalkuliert, lügt und betrügt.
Mit Khorma entfernt Saadi sich nicht nur weit von den lange Zeit typischen "Frauen"-Filmen, wendet sich jedoch um so mehr den Rändern der Gesellschaft zu, den marginalisierten Wesen, die keiner sehen will, deren Bedeutung aber umso größer ist (womit der Regisseur dann wieder ganz in einer Linie mit Bouzid, Zran, Dhouib und anderen steht). Die agile Kamera gleitet durch die Straßen der Altstadt und über den Friedhof von Bizerte, folgt dem Parcours von Khorma, lässt den Zuschauer förmlich spüren, wie sich die Blicke der Bewohner auf den "Dorfdeppen" verändern.
In Khorma verwebt sich der Diskurs über moralische Fragen (einschließlich – laut Regisseur nicht intendierten – Bezügen auf Jesus Christus) mit einer klugen Analyse der Machtstrukturen einer Gesellschaft im Wandel. Trotz eines eher schwachen Endes, das der Analyse etwas von ihrer Radikalität nimmt, weist er den Weg hin zu einem neuen tunesischen Kino, das gerade am Entstehen ist.
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1 Kommentar:
danke fuer die schoene und lustmachende filmbeschreibung. da haette man mal wieder lust, endlich ein dvd-label zu gründen, dass all diese wunderbaren filme auch hierzulande (bzw. teilweise überhaupt) zugänglich zu machen... aber das wär wohl ein projekt, mit dem man nie schwarze zahlen schreiben würde...
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