27.05.2007

Roy Armes: Les cinémas du Maghreb. Images postcoloniales

Literatur zum maghrebinischen Kino ist rar, deshalb hier der Hinweis auf ein Buch von Roy Armes, das sowohl auf Englisch als auch in französischer Übersetzung vorliegt.

Mit seiner Einleitung stößt Armes die große Tür zu den Postcolonial Studies auf, zitiert die graue Eminenz Edward Said und andere, nur um die Tür gleich wieder zu verschließen und sich jahrzehnte- und länderweise dem maghrebinischen Kino (und dem maghrebinischer Migranten in Europa, v.a. Frankreich zu widmen) seit den 60er Jahren zu widmen. Auf diesen historischen Überblick folgen zehn Beispielanalysen von Filmen, die Armes als besonders repräsentativ für bestimmte Stile, Themen und Epochen einstuft, unter anderem Chroniques des années de braise, Omar Gatlato, Miss Mona, Halfaouine oder Ali Zaoua.

So wichtig mir v.a. nicht nur frankophone Literatur zu dem Thema erscheint, für wirklich geglückt halte ich das Buch nicht. Aus verschiedenen Gründen. Da ist zum einen der Ansatz der Postcolonial studies, der m.E. zwar durchaus wichtig für die Analyse bestimmter Filme ist, als alleiniger Theorierahmen jedoch ein relativ starres Korsett darstellt (was Armes dann auch dazu bewegt zu haben scheint, sich schnell wieder davon zu entfernen und erst am Schluss wieder dahin zurückzukehren – worin dann wieder ein Problem besteht, aber dazu später mehr). Der historische Abriss ist zwar minutiös recherchiert, voller Zahlen und Fakten zur Produktionssituation in den einzelnen Ländern, Geburtsjahrgänge der einzelnen Regisseure etc, wirkt dann aber sehr mathematisch und ist für den Leser leider staubtrocken, da er nur äußerst selten ein Gefühl für den Stil der Filme vermittelt. Ärgerlich außerdem wie der Autor immer wieder m.E. nach wichtige Filme in ein, zwei Sätzen ohne nachvollziehbare Begründung zerreißt (gerade Ridha Behi attackiert er wiederholt, weil dieser in verschiedenen Filmen v.a. nicht-tunesischen Schauspieler eingesetzt hat – und nicht etwa wegen der Qualität der Filme) Ärgerlich sind auch andere vermeidbare Fehler und Ungeschicklichkeiten; so schreibt Armes etwa, es handele sich bei den drei Familien in Ferid Boughedirs Ein Sommer in La Goulette um eine europäische, eine arabische und eine jüdische. Fakt ist, dass es um drei tunesische Familien geht (eine muslimische, eine jüdische und eine katholische [mit italienischen Vorfahren]), und gerade dies ist der springende Punkt.

Demgegenüber stehen aber durchaus lesenswerte Interpretation von beispielsweise Merzak Allouaches Meisterwerk Omar Gatlato, Nouri Bouzids Les Sabots en Or und ein interessanter und recht kritischer Text in Bezug auf Boughedirs Halfaouine. So finden sich einige durchaus kluge Analysen, wobei die Themensetzung aus dem Kontext nicht wirklich klar hervorgeht. Außerdem variiert der Bezug auf andere Filme dieser Strömung von Kapitel zu Kapitel enorm. Wieso Armes ausgerechnet die zehn von ihm genannten Aspekte für repräsentativ für das postkoloniale Kino hält und wie er zu diesem Schluss gekommen ist erläutert er nirgendwo, genauso wenig wie er seine Vorgehensweise begründet.

Ganz am Schluss (vor nützlichen Anhängen und einer umfangreichen Bibliographie) kommt der Autor dann wieder auf den postkolonialen Aspekt des Buches zurück, und das sehr abrupt. Die wesentliche Schlussfolgerung aus seiner Analyse der Produktionsstrukturen (und nichts anderem) lautet dann auch, dass das postkoloniale maghrebinische Kino im Wesentlichen französisch ist. Da fragt man sich dann doch, wo da der Bezug zu den umfangreichen inhaltlich-ästhetischen Analysen ist (in denen Fragen der Produktion fast immer außen vor blieben). Viel interessanter wäre es doch eigentlich, zu untersuchen, wie die Koproduktionen Stil und Inhalt der Filme beeinflussen.

Schade, dass Armes, der ja durchaus eine Kapazität auf diesem Gebiet ist und unbestritten über enormes Fachwissen verfügt, hier irgendwo den roten Faden verloren hat und der Bezug zwischen den einzelnen Teilen des Buches eher fragwürdig erscheint.

22.05.2007

Strassenszenen aus Damaskus

In ein paar Tagen sind hier Praesidenschaftswahlen und die Strassen sind fest in der Hand des "Loewen". An der Anzahl der Plakate haette selbst Monsieur Ben Ali seine Freude. Als ich neulich aus dem Serfis (aka Service-Taxi) gestiegen bin hingen an einem einzigen Kreisverkehr 27 Plakate und Transparente (wenn ich mich nicht verzaehlt habe). Seit heute gibt es ausserdem kleine Plakate in Herzform. Hier eine kleine Auswahl, auch wenn die Qualitaet leider nicht besonders ist (hatte nur mein Handy zur Hand). Unterdessen denke ich daran, eventuell meine ab morgen geplante Libanon-Reise zu canceln, mal sehen wie sich die Situation vor Ort entwickelt.

19.05.2007

Gelesen

In Qantara finden sich diesmal einige interessante Artikel, unter anderem ein Rueckblick auf die bewaffneten Auseinandersetzungen in Tunesien um den Jahreswechsel rum, in deren Umfeld immer mehr Widersprueche auftauchen, ausserdem ein Artikel ueber die nicht nur finanziellen Problem des IMA und ein Interview mit dem syrischen Regisseur Haitham Hakki.

12.05.2007

Photocopy

Der Andrang im Qabbani-Theater (benannt nicht nach Nizar Qabbani sondern nach dem Gründervater des modernen arabischen Theaters Abu Khalil al Qabbani) war groß, als am Donnerstagabend Photocopy Premiere feierte. Unter der Regie von Maher Salibi liefen die beiden Hauptdarsteller Yara Sabri und Muhamad Hdaki zu Höchstleistungen gen auf. Insbesondere letzterer überzeugte als kleiner Büroangestellter. Das Stück beginnt mit Hdakis erstem Tag im Büro, wo er zum ersten Mal seiner Kollegin begegnet und ihr sofort verfällt. Die Jahre vergehen und die beiden Figuren sitzen sich den Rest ihres Berufslebens in einem von Hasslieben geprägten Verhältnis an ihren beiden Schreibtischen gegenüber. Ihre Träume sind klein und bescheiden, genau wie das Leben, das sie führen, doch nicht einmal die einfachen Wünsche werden wahr. Ein bisschen Hoffnung vermittelt allein Fairouz, deren Stimme aus dem Radio schallt, das sonst nur Jahr für Jahr politische Schreckensmeldungen verbreitet. Am Ende sitzt der Zuschauer zwei altgewordenen Menschen gegenüber, die die Welt voller Computer, SMS und Nancy Ashram nicht mehr verstehen. Der Titel ist Konzept und beeinflusst selbst das Bühnenbild, das wie an einer Achse gespiegelt erscheint. Rechts und links eine Tür, rechts und links ein Schreibtisch, rechts und links ein Mensch, dessen fehlende Zukunftsperspektive sie zu Stellvertretern einer ganzen Generation werden lässt. Die Kontakte zur Außenwelt sind rar. Links ein Radio, aus dem die Außenwelt ins Büro dringt, rechts ein Telefon, mit dem die Angestellten den Kontakt wahren. Je länger sie im Büro sitzen, desto bedrohlicher schieben sich die Wände zusammen, desto enger wird der Raum, der den Figuren zur Verfügung steht. Der Direktor des Unternehmens bleibt ein unsichtbares Wesen hinter der einen Tür, einzig ein Stummer (Mansor Nasr) kommt hin und wieder vorbei, staubt ab und bringt Kaffee vorbei. Photcopy ist eine bedrückende Parabel auf das Leben in einem autoritären Regime, eine bittere Groteske, die in düsteren Farben das Portrait einer Generation zeichnet, deren Träume von der Realität erstickt werden.

03.05.2007

Journées de la Photographie

Seit gestern finden in Damaskus die Journées de la Photographie statt. Eröffnet wurden sie im Khan Assad Pasha, einem der schönsten Gebäude der Altstadt. Dort findet sich ein Großteil der Ausstellungsstücke von knapp 20 Künstlern (und einer Kollektivarbeit), unter anderem eine Video des von mir so hochgeschätzten libanesischen Künstlers Akram Zaatari, Video in 5 movements (2006), eine Collage aus Super8-Aufnahmen. Ausserdem eine beachtliche Zusammenstellung verschiedener Fotoserien des französischen Fotografen Josef Koudelka aus den Jahren 1958 – 2004.

Rémy Lidereau verleiht in seinem Werk den französischen Vorstädten einen unwirklichen Charakter, zerlegt anonyme Wohnblocks in graphische Muster, denen man nicht mehr ansieht, dass hinter den Fassaden Menschen wohnen.

Ganz nah an den Personen ist hingegen der syrische Autodidakt Omar Berakdar. Dessen Photographien der Ashoura-Feierlichkeiten, schwarz-weiße, kontrastreiche Aufnahmen schiitischer Pilger, durch die Bewegung unscharf geworden, lassen den Sog der Prozession förmlich körperlich spürbar werden.

Im CCF wurde dann heute Abend die Ausstellung des iranischen Künstlers Khosrow Hassanzadeh eröffnet, der u.a. auch schon in Freiburg und Berlin ausgestellt hat (und hier gerade ein paar Tage im gleichen Haus wie ich wohnt). In seinen Collagen aus Fotographie und Malerei setzt er sich in kraftvollen Bildern u.a. mit der Definition von Terrorismus auseinander.

Am 7. Main wird im GI Damaskus dann die Ausstellung der deutschen Fotografin Sanna Miericke eröffnet.

Wer in Damaskus ist: die Ausstellungen auf keinen Fall verpassen! Ich werde mir die im Khan Assad Basha sicher in aller Ruhe nochmal ansehen, vielleicht folgt dann auch noch mal ein ausführlicherer Text.